Fortschreibung der Reform der Lehrerausbildung – Beschluss 661-06

Die Elternkammer begrüßt die Möglichkeit zu den Empfehlungen zur Fortschreibung der Reform der Lehrerbildung in Hamburg Stellung nehmen zu dürfen. Die Lehrkraft ist unserer Ansicht nach ein wesentlicher Gelingensfaktor für guten Unterricht. Deshalb ist der Elternschaft an einer hochwertigen und zeitgemäßen Ausbildung von Lehrkräften gelegen. Sie soll die angehenden Lehrerinnen und Lehrer befähigen, unseren Kindern zu einer Bildung zu verhelfen, die sie in die Lage versetzt, selbstbestimmte und verantwortungsbewusste Mitglieder und Mitgestalter unserer Gesellschaft zu werden.

Zunächst beziehen wir uns auf die fünf Empfehlungen der Expertenkommission. Im Anschluss daran möchten wir von uns wahrgenommene Problemlagen bei bereits ausgebildeten und unterrichtenden Lehrkräften beschreiben, aus denen ggf. Anregungen für die Ausgestaltung der Lehrerausbildung abgeleitet werden können, auch wenn sich die von der Elternschaft gemachten Erfahrungen nicht ausschließlich auf in Hamburg ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer beziehen und sich die Ausbildung möglicherweise bereits geändert hat.

1. Die inklusionspädagogische Qualifizierung aller Lehrämter

Richtig, Inklusion muss perspektivisch an allen Schulformen qualifiziert und effektiv möglich sein. Das vom Expertenteam an dieser Stelle zu Grunde gelegte weite Verständnis des Inklusionsbegriffs unterstützen wir ausdrücklich. Die Anforderungen, die mit dem Unterrichten heterogener Lerngruppen – insbesondere in einer Großstadt – einhergehen, werden damit adressiert. Somit wird der Anspruch unterstrichen, jedes Kind dabei zu unterstützen an seinem persönlichen Leistungsoptimum zu lernen. Allerdings sollte das nicht zu Lasten der Fachlichkeit in der Ausbildung gehen.

2. Das neue eigenständige Lehramt an Grundschulen

Mathematik als Pflichtfach befürwortet die Elternkammer nicht.

Kritisch sehen wir zudem die vollständige Entkopplung von Grundschule und weiterführender Schule, wissend dass der Übergang von der Grundschule auf die weiterführenden Schulen zur Zeit lehrerseitig nicht optimal begleitet wird. Hier muss die Ausbildung sicherstellen, dass Lehrkräfte von Grund- und weiterführenden Schulen über ausreichende Kenntnis über die Arbeit an der jeweils anderen Schulform und die Anforderungen an die Schülerinnen und Schüler verfügen. Nur so können Lehrer die Familien qualitativ hochwertig beim Übergang in Klasse 5 beraten.

3. Das neue Lehramt an Stadtteilschulen

Wir sehen hier die Gefahr, dass die Unterschiede zwischen den Schulformen (Gym/StS) manifestiert werden. Wir vermuten, dass Stadtteilschul-Lehrkräfte aufgrund der Tatsache, dass sie nur in einem Fach die Befähigung zum Unterrichten in der Sekundarstufe II aufweisen, schwerlich Beschäftigung an Gymnasien finden. Die Einsetzbarkeit dieser Lehrkräfte wäre aus gymnasialorganisatorischer Sicht zu beschränkt. Insbesondere an Stadtteilschulen, deren Schülerschaft häufig sehr heterogen ist, ist die Ausbildung der dort unterrichtenden Lehrkräfte von überragender Bedeutung. Da neben der pädagogischen Ausbildung eine hohe Fachlichkeit der Lehrkraft – wie von der BSB für das Fach Mathematik selbst postuliert – auch entscheidend für den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler ist, sollten Lehrkräfte hier in beiden Bereichen bestens ausgebildet sein.

Aus diesen beiden Gründen lehnen wir das Y-Modell in der vorgestellten Form ab. Wir plädieren für ein einheitliches Lehramt mit der Befähigung zum Unterrichten von zwei Fächern in der Sekundarstufe II und für die Möglichkeit, dass Lehramtsanwärter die Wahl haben, neben der für das Unterrichten in der Sekundarstufe II geforderten Fachlichkeit zusätzlich vertieft pädagogische Kenntnisse zu erwerben, die der besonderen Situation der Stadtteilschulen Rechnung tragen.

4. Das Lehramt Sonderpädagogik

Wir begrüßen die vorgestellten Vorschläge und plädieren dafür, dass neben der begrüßenswerten Qualifikation im Bereich der Gebärdensprache ebenso die Ausbildung in unterstützter Kommunikation gestärkt wird.

5. Alternative Zugangswege zum beruflichen Lehramt

Die Erleichterung des Quereinstiegs begrüßen wir. Das erfolgreiche Unterrichten an beruflichen Schulen setzt unserem Verständnis nach praktische Erfahrung im Berufsleben voraus. Bereits jetzt ist für das Lehramt Berufsschule vorgesehen, dass Bewerber/innen mindestens eine abgeschlossene Berufsausbildung vorweisen müssen. Deshalb möchten wir anregen, auch bei Quereinsteigern aus Universitäten Berufserfahrung vorauszusetzen. Zudem sollte vermieden werden, solche Quereinsteiger zu Lehrkräften auszubilden, die in der Wirtschaft erfolglos waren und allein aus diesem Grund das Lehramt Berufsschule anstreben.

6. Beobachtete Problemlagen bei bereits ausgebildeten Lehrkräften

> Noch früheres Kennenlernen der Berufspraxis

Wir erleben es immer wieder, dass Menschen den Beruf des Lehrers ergreifen, obwohl sie über keine ausgeprägten Stärken in den für den Lehrerberuf so wichtigen personalen und sozial-kommunikativen Kompetenzen verfügen. Nach einem 10semestrigen Studium mit anschließendem Vorbereitungsdienst ist es für viele jedoch zu spät, um umzusatteln. Deshalb regen wir an, praktische Einheiten über das ISP hinaus im Semester 5 in der Phase I oder gar dem Studium vorgelagert zu verankern.

> Zugangsvoraussetzungen zum Studium

Die Zugangsberechtigung zum Studiengang über die Abiturnote (in Hamburg zur Zeit ca. 1,5) allein erscheint wenig sachdienlich, da sie nichts über die Persönlichkeit eines Bewerbers aussagt. Man könnte sich sogar auf folgenden Standpunkt stellen: Denjenigen, die sich seinerzeit mit dem Lernen etwas schwerer getan haben, fällt es aufgrund eigener Erfahrung leichter, Schüler zu unterrichten, die nicht zu den sogenannten Schnelllernern zählen. Insbesondere diese Schülerinnen und Schüler stellen aber für viele Lehrkräfte eine besondere Herausforderung dar.

Fernen wissen wir von Menschen, denen aufgrund ihrer Abiturnote ein Zugang zum Lehramtsstudium verschlossen bleibt. Wir halten es deshalb für angebracht, alternative Zugänge über Assessments zu ermöglichen, in denen die Bewerber auf Motivationslage und Geeignetheit für das Lehramt getestet werden. So führt die TU München z. B. in einer Reihe von Studiengängen Auswahlgespräche mit Bewerbern, die über die fachspezifisch gewichteten (!) Abiturnoten nicht zum Studiengang zugelassen worden wären.

Auch ein Quereinstieg analog zum Lehramtsstudium BS sollte erwogen werden.

> Fokus auf: Teamfähigkeit, Umgang mit schwierigen Situationen, Menschenführung, Kommunikation

  • Der berufliche Alltag von Lehrerinnen und Lehrern hat sich stark verändert. So dürfen LuL von heute immer weniger „Einzelkämpfer“ sein, sondern sind angehalten, im Team mit anderen Lehrkräften zu arbeiten.
  • Sie sollen daneben auch mit Schülern und Eltern im kritischen Austausch über die eigene Leistung stehen. Der konstruktive Umgang mit Misserfolgen und schwierigen Situationen sowie die Selbstreflexion scheinen häufig herausfordernde Felder des Lehreralltags darzustellen.
  • Junge Menschen von heute haben einen anderen Anspruch an Autorität. Sie akzeptieren Führung, nicht aber Befehle.
  • Nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass Bildung als zunehmend essentieller für den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolg wahrgenommen wird, treten auch die Eltern stärker in Kontakt mit den Lehrkräften und erfordern ein hohes Maß an Kommunikationsfähigkeit.

Diese Thematiken bzw. Kompetenzen sollten im Rahmen der Ausbildung behandelt und trainiert werden.

> Digitales Lernen

Unsere heutige Welt von ist durch die Digitalisierung geprägt. In Schule wird dieses Thema jedoch zumeist nachrangig behandelt. Lehrerinnen und Lehrer von heute müssen ihre Schülerschaft in der digitalen Welt begleiten und anleiten. Sie müssen befähigt sein, digitales Lernen dort einzusetzen, wo es sinnvoll erscheint und sich digitale Lerninhalte zu Nutze machen. Damit einher geht ein verändertes Selbstverständnis des Lehrers vom „Alles-Wisser“ zum „Alles-Ermöglicher“.

> Elternmitwirkung, Schulrecht

  • Das Hamburger Schulgesetz beschreibt die Bildungspartnerschaft zwischen Elternhaus und Schule und sieht vielfältige und weitreichende Mitgestaltungsmöglichkeiten der Elternschaft vor. Lehrkräfte haben oft nur unzureichend Kenntnis von der durch das Schulgesetz definierten Rolle der Eltern.
  • Auch eine Vermittlung der praxisrelevanten schulgesetzlichen Bestimmungen erscheint ratsam.

 

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