Fortschreibung der Reform der Lehrerbildung in Hamburg – Beschluss 667-04

Die Elternkammer beschließt auf ihrer Sitzung am 5.12.2017:

Stellungnahme zum Drucksachenentwurf
„Fortschreibung der Reform der Lehrerbildung in Hamburg“.

Die Elternkammer begrüßt die frühzeitige Einbindung der Fachöffentlichkeit in den Reformprozess. Die Lehrkraft ist unserer Ansicht nach einer der wesentlichen Gelingensfaktoren für guten Unterricht. Deshalb ist der Elternschaft an einer hochwertigen und zeitgemäßen Ausbildung von Lehrkräften gelegen. Sie soll die angehenden Lehrerinnen und Lehrer befähigen, unseren Kindern zu einer Bildung zu verhelfen, die sie in die Lage versetzt, selbstbestimmte und verantwortungsbewusste Mitglieder und Gestalter unserer Gesellschaft zu werden.

Zunächst beziehen wir uns auf die fünf Empfehlungen der Expertenkommission. Im Anschluss daran möchten wir von uns wahrgenommene Problemlagen bei bereits ausgebildeten und unterrichtenden Lehrkräften beschreiben, aus denen ggf. Anregungen für die Ausgestaltung der Lehrerausbildung abgeleitet werden können, auch wenn sich die von der Elternschaft gemachten Erfahrungen nicht ausschließlich auf in Hamburg ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer beziehen und sich die Ausbildung möglicherweise bereits geändert hat.

1. Die inklusionspädagogische Qualifizierung aller Lehrämter

Richtig, Inklusion muss perspektivisch an allen Schulformen qualifiziert und effektiv gelingen sein. Das vom Expertenteam an dieser Stelle zu Grunde gelegte, weite Verständnis des Inklusionsbegriffs unterstützen wir ausdrücklich. Die Anforderungen, die mit dem Unterrichten heterogener Lerngruppen – insbesondere in einer Großstadt – einhergehen, werden damit adressiert. Somit wird der Anspruch unterstrichen, jedes Kind dabei zu unterstützen an seinem persönlichen Leistungsoptimum zu lernen. Allerdings sollte das nicht zu Lasten der Fachlichkeit in der Ausbildung gehen.

2. Das neue eigenständige Lehramt an Grundschulen

Mathematik als Pflichtfach in der Lehrerausbildung unterstreicht die Wichtigkeit des Faches. In bundesweiten Vergleichstests (PISA, IQB-Bildungstrends) erreichen Hamburger Schülerinnen und Schüler im Fach Mathematik im Vergleich zu den anderen getesteten Fächern die schlechtesten Resultate. Die Ergebnisse der Überprüfungsarbeiten in der 10. Klasse zeigen das gleiche Bild. Die Elternkammer erwartet durch den Einsatz von Lehrerinnen und Lehrern, die während ihres Studiums umfassend fachdidaktisch im Fach Mathematik ausgebildet wurden, in Zukunft bessere Ergebnisse. Die in der Drucksache angekündigte grundschulspezifische Überarbeitung des Curriculums begrüßen wir in diesem Zusammenhang sehr. Zudem begrüßen wir es, dass das „Angstfach“ Mathematik durch diesen Ansatz häufiger von den Klassenleitungen unterrichtet werden wird, zu denen die Schülerinnen und Schüler durch den Unterricht in anderen Fächern bereits eine Beziehung aufbauen konnten. Außerdem eröffnet die Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer für das Grundschullehramt in drei Fächern ein höheres Maß an Flexibilität bei der Schulorganisation. Wir erwarten, dass die bisherige gute pädagogisch Arbeit der Lehrkräfte an Grundschulen – als Gesamtschulen im Wortsinn – auch durch die Ausbildung in einem zusätzlichen Fach gewährleitstet bleibt.

Kritisch sehen wir die vollständige Entkopplung von Grundschule und weiterführender Schule, wissend dass der Übergang von der Grundschule auf die weiterführenden Schulen zurzeit lehrerseitig nicht optimal begleitet wird. Hier muss die Ausbildung sicherstellen, dass Lehrkräfte von Grund- und weiterführenden Schulen über ausreichende Kenntnis über die Arbeit an der jeweils anderen Schulform und die Anforderungen an die Schülerinnen und Schüler verfügen. Nur so können Lehrer die Schülerinnen und Schüler auf den Übergang in Klasse 5 vorbereiten und deren Familien qualitativ hochwertig beraten.

3. Das einheitliche Lehramt für die weiterführenden Schulen

Wir begrüßen, dass der Senat den Vorstellungen der Elternkammer gefolgt ist, und das sogenannte Y-Modell zugunsten eines einheitlichen Lehramtes für Stadtteilschulen und Gymnasien verworfen hat. Wir erwarten, dass der neu eingeführte freie Studienanteil von neun Leistungspunkten sowie die Ausweitung des fachdidaktischen Anteils den angehenden Lehrkräften an Stadtteilschulen die Möglichkeit gibt, vertieft pädagogische Kenntnisse zu erwerben, die der besonderen Situation der Stadtteilschulen Rechnung tragen. In diesem Zusammenhang begrüßt die Elternkamme, dass der Umgang mit kultureller und sozialer Heterogenität als phasenübergreifende Thematik in der Lehrerbildung einen hohen Stellenwert bekommen hat. Die inhaltlichen, strukturellen (mehr Fachdidaktik) und phasenübergreifenden Anpassungen in der Lehrerbildung für Grundschulen und Sekundarstufen befürworten wir in der Erwartung, dass diese die Lehrerinnen und Lehrer ausreichend auf die veränderte Schülerschaft vorbereiten.

4. Das Lehramt Sonderpädagogik

Wir begrüßen die vorgestellten Vorschläge und plädieren dafür, dass neben der begrüßenswerten Qualifikation im Bereich der Gebärdensprache ebenso die Ausbildung in unterstützter Kommunikation gestärkt wird.

5. Alternative Zugangswege zum beruflichen Lehramt

Die Erleichterung des Quereinstiegs begrüßen wir. Das erfolgreiche Unterrichten an beruflichen Schulen setzt unserem Verständnis nach praktische Erfahrung im Berufsleben voraus. Bereits jetzt ist für das Lehramt Berufsschule vorgesehen, dass Bewerber/innen mindestens eine abgeschlossene Berufsausbildung vorweisen müssen. Deshalb möchten wir anregen, auch bei Quereinsteigern aus Universitäten Berufserfahrung vorauszusetzen.

6. Beobachtete Problemlagen bei bereits ausgebildeten Lehrkräften

Noch früheres Kennenlernen der Berufspraxis

Wir erleben es immer wieder, dass Menschen den Beruf des Lehrers ergreifen, obwohl sie über keine ausgeprägten Stärken in den für den Lehrerberuf so wichtigen personalen und sozial-kommunikativen Kompetenzen verfügen. Nach einem 10semestrigen Studium mit anschließendem Vorbereitungsdienst ist es für viele jedoch zu spät, um umzusatteln. Deshalb regen wir an, praktische Einheiten über das ISP hinaus im Semester 5 in der Phase I oder gar dem Studium vorgelagert zu verankern.

Zugangsvoraussetzungen zum Studium

Die Zugangsberechtigung zum Studiengang über die Abiturnote (in Hamburg zur Zeit ca. 1,5) allein erscheint wenig sachdienlich, da sie nichts über die Persönlichkeit eines Bewerbers aussagt. Man könnte sich sogar auf folgenden Standpunkt stellen: Denjenigen, die sich seinerzeit mit dem Lernen etwas schwerer getan haben, fällt es aufgrund eigener Erfahrung leichter, Schüler zu unterrichten, die nicht zu den sogenannten Schnelllernern zählen. Insbesondere diese Schülerinnen und Schüler stellen aber für viele Lehrkräfte eine besondere Herausforderung dar.

Fernen wissen wir von Menschen, denen aufgrund ihrer Abiturnote ein Zugang zum Lehramtsstudium verschlossen bleibt. Wir halten es deshalb für angebracht, alternative Zugänge über Assessments zu ermöglichen, in denen die Bewerber auf Motivationslage und Eignung für das Lehramt getestet werden. So führt die TU München z. B. in einer Reihe von Studiengängen Auswahlgespräche mit Bewerbern, die über die fachspezifisch gewichteten (!) Abiturnoten nicht zum Studiengang zugelassen worden wären.

Auch ein Quereinstieg analog zum Lehramtsstudium BS sollte erwogen werden.

Fokus auf: Teamfähigkeit, Umgang mit schwierigen Situationen, Menschenführung, Kommunikation

  • Der berufliche Alltag von Lehrerinnen und Lehrern hat sich stark verändert. So dürfen LuL von heute immer weniger „Einzelkämpfer“ sein, sondern sind angehalten, im Team mit anderen Lehrkräften zu arbeiten.
  • Sie sollen daneben auch mit Schülern und Eltern im kritischen Austausch über die eigene Leistung stehen. Der konstruktive Umgang mit Misserfolgen und schwierigen Situationen sowie die Selbstreflexion scheinen häufig herausfordernde Felder des Lehreralltags darzustellen.
  • Junge Menschen von heute haben einen anderen Anspruch an Autorität. Sie akzeptieren Führung, nicht aber Befehle.
  • Nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass Bildung als zunehmend essentieller für den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolg wahrgenommen wird, treten auch die Eltern stärker in Kontakt mit den Lehrkräften und erfordern ein hohes Maß an Kommunikationsfähigkeit.

Diese Thematiken bzw. Kompetenzen sollten im Rahmen der Ausbildung behandelt und trainiert werden.

  • Digitales Lernen
    Unsere heutige Welt ist durch die Digitalisierung geprägt. In Schule wird dieses Thema jedoch zumeist nachrangig behandelt. Lehrerinnen und Lehrer von heute müssen ihre Schülerschaft in der digitalen Welt begleiten und anleiten. Sie müssen befähigt sein, digitales Lernen dort einzusetzen, wo es sinnvoll erscheint und sich digitale Lerninhalte zu Nutze machen. Damit einher geht ein verändertes Selbstverständnis des Lehrers vom „Alles-Wisser“ zum „Alles-Ermöglicher“. Insofern begrüßt die Elternkammer, dass das digitales Lernen als phasenübergreifende Thematik in der Lehrerbildung einen hohen Stellenwert bekommen hat und die fachdidaktischen Anteile (auch) zum Kompetenzaufbau im Bereich „digitales Lernen“ ausgeweitet wurden.

 

  • Bildung für nachhaltige Entwicklung (“BNE”)
    Die Elternkammer begrüßt ausdrücklich, dass durch die Drucksache die schulische Umsetzung von Themen der Nachhaltigkeit gesichert werden soll.

 

  • Elternmitwirkung, Schulrecht
    Das Hamburger Schulgesetz beschreibt die Bildungspartnerschaft zwischen Elternhaus und Schule und sieht vielfältige und weitreichende Mitgestaltungsmöglichkeiten der Elternschaft vor. Lehrkräfte haben oft nur unzureichend Kenntnis von der durch das Schulgesetz definierten Rolle der Eltern. Sie müssen von dem Gestaltungsspielraum elterlicher Beteiligung Kenntnis haben und über die Kompetenzen verfügen, Eltern diese Gestaltung zu ermöglichen und sie insgesamt im System Schule willkommen zu heißen.
  • Auch eine Vermittlung der praxisrelevanten schulgesetzlichen Bestimmungen erscheint ratsam.

 

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