Die Elternkammer Hamburg (EKH) hat sich intensiv mit den Entwürfen der Bildungspläne für
die Sekundarstufe 1 befasst.
Die EKH ist erfreut, dass der Austausch mit dem Fachreferenten für das neue Pflichtfach Informatik positive Auswirkungen auf die neuen Bildungspläne hatte. Dies zeigt das, dass aktive einholen unserer Mitwirkung zu guten Ergebnissen führt.
Die Bildungspläne zeigen eine zu hohe Inhaltliche Fülle, neue dringend notwendige Themen dürfen nicht nur zusätzlich hinzugefügt werden, sondern in die bestehenden Fächer hineingearbeitet werden.
Unsere Stellungnahme ist aufgeteilt in einen ersten Teil mit allgemeinen Anmerkungen und einen zweiten Teil werden wir Bezug auf einzelne Bildungspläne nehmen.
Leitperspektiven
Wir sehen die Leitperspektiven „Werte für ein gelingendes Zusammenleben“, „BNE“ sowie „lebenund lernen in einer digital geprägten Welt“ der aktuellen Zeit entsprechend sinnvoll und nun deutlichklarer gefasst, als noch in den Bildungsplänen der Oberstufe. Positiv fallen hier auch die nun separat aufgeführten Bewertungskriterien auf.
Inklusion wird stärker in den Blick genommen, diesem müssen nun
Taten folgen.
Umfang & Verteilung
Zum Teil werden Stoffinhalte aus der Oberstufe nun in die Unter- oder Mittelstufe verlagert oder entfallen ganz (Beispiel: Magnetismus und Druck). Das Vorgabe Ziel von 50% wird in der Mittelstufe aus unserer Sicht nicht eingehalten, der Spielraum der einzelnen Fächer besonders mit der Einführung von Informatik ist erschöpft, mehr Stunden sind keine Alternative, um die Stofffülle abzudecken.
Die 10. Klassen am Gymnasium erhalten eine merkliche „Doppelrolle“ ein Abschluss der Mittelstufe, andererseits Vorbereitung auf die Oberstufe. Für beide „Rollen“ gibt es volle Inhalte, dies könnte zu einer Überlastung oder nicht Behandlung der Themen führen.
Wir sehen die Verantwortung zur Reduzierung von Stoffinhalten klar bei den Erstellern der Bildungspläne. Eine Verlagerung auf Lehrkräfte oder beratende Gremien sehen wir nicht als angemessen an. Grundsätzlich ist die 34-Wochen-Prämisse unrealistisch!
Ressourcen & Belastung
Weiterhin sind die vorhandenen Ressourcen nicht ausreichend, um eine Implementierung weiterer neuer Bildungspläne in den Schulalltag zu integrieren. Die vorhandenen Ressourcen reichen nicht aus, um neue Bildungspläne in den Schulen umzusetzen. Der Mangel an Lehrkräften und die steigende Zahl von Schülerinnen und Schülern verschärfen das Problem.Schul- und Fachleitungen bekommen zu wenig Unterstützung.
Die Aussage jede Schule soll selbst anhand ihrer Schwerpunkte entscheiden, welche Fächer Stunden abgeben, ist aus Sicht der Elternkammer
nur der Versuch der BSB sich vor dieser Verantwortung zu verstecken.
Entwicklung & Implementierung
Die noch in der ersten Bildungsplankommission vertretenen universitären Institute haben sich ausder jetzigen Kommission (die von der BSB als eine einheitliche begriffen wird) komplett herausgezogen. Es ist in diesen Bildungsplänen kein Ansatz zu erkennen, sich mit den neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen auseinanderzusetzen.
Wir geben zu bedenken, dass die 3-jährige Erprobungsphase keine Folge der Einwände, sondern durch § 6 der BildunsplanVO vom 1.7.1997 (HmbGVBl. 1997, 329) vorgegeben ist.
Die Kriterien, an denen gemessen werden wird, ob und wenn inwieweit die neuen Bildungspläne ein erfolgsversprechendes Modell und also (endgültig) umgesetzt werden, sind völlig unklar.
Die Beteiligungskultur bereits im Rahmen der Erarbeitung der Bildungspläne wurde erneut nicht verbessert.
Aufgabengebiete
Zu den Aufgabengebieten hat die Elternkammer Hamburg folgende Anmerkungen.
Uns erscheinen die Leitperspektiven und ihre spezifischen Bezüge sehr kurz, weitergehende Erläuterungen wären eventuell sinnvoll.
In der Berufsorientierung sollte über die Rollenklischees kritisch gesprochen werden, um auch neue Berufsfelder zu entdecken.
Gesundheitsförderung mit Blick auf das „leben und lernen in einer Digitalen Welt“ heißt aus unserer Sicht auch, dass aktuelle Themen wie z.B. BodyPositivity, Schönheitsideale aus dem Internet, extreme Trends oder „Ana-Choaches“ behandelt werden müssen.
Dies ist auch für die Entwicklung des Selbstwertgefühls ausschlaggebend. Medienerziehung muss hier auch auf negative Einflüsse und Inhalte eingehen. Die Strafbarkeit von Urheberrechtsverletzung und Gefahren bei unbedachter Weiterleitung von Bildern sind dafür nur beispielhaft, wie auch das sogenannte „Catcalling“.
Grundsätzlich sind Sport und Sportunterricht ein wichtiger Bestandteil für eine gute körperliche und mentale Gesundheit und sollten daher eng miteinander verzahnt sein.
Globales Lernen und die Rolle jedes Einzelnen als „Verbraucher“ sind ebenso miteinander verbunden. Es ist heute wichtiger denn je, Rücksicht auf Ressourcen zu nehmen und verantwortungsvoll mit ihnen umzugehen. Der Bildungsplan P-G-W mit dem Modul „Ökonomisches Denken & Handeln“ ist ein gutes Beispiel dafür, wie diese Inhalte vermittelt werden können. Es ist jedoch wichtig, den Bezug zum Hamburger BNE Masterplan herzustellen, um ein umfassendes Verständnis zu fördern.
Wir wünschen uns, nicht nur im Rahmen der Interkulturellen Erziehung
einen diskriminierungsfreien Unterricht.
Es folgen Anmerkungen zu diesen Bildungsplänen bzw. Rahmenvorgaben:
Der Lernbereich Gesellschaftswissenschaften erscheint der Elternkammer Hamburg insgesamt gelungen.
Die didaktischen Grundsätze bieten einen guten Realbezug und unterstützen das vernetzte Lernen. Für den Aktualitätsbezug hofft die Elternkammer Hamburg auf ausreichend Raum und Zeit, um auch spontan auf Themen eingehen zu können. Besonders positiv ist die aktive Aufforderung zu vermehrten Methodenwechseln.
Im Rahmen des Jahrgangs 6 sind die mindest und erhöhten Anforderungen häufig nicht differenziert. Dies sollte nachgearbeitet werden. Die zu vermittelnden digitalen Kompetenzen sind sehr niedrigschwellig und bieten gute Basiskompetenzen im Umgang mit digitalen Medien.
Die fachlichen Anforderungen für den ESA und MSA scheinen teilweise deutliche Abweichungenvon den Anforderungen, der einzelnen Bildungsplänen für Geografie, Geschichte und PGW zu haben.
Warum keine Unterscheidung zwischen den Anforderungen zwischen dem ESA und dem MSA erfolgt, kritisieren wir deutlich!
Positiv bei den Inhalten sind die vorbereiteten Themen für Forderangebote als Vertiefung und dasAufgreifen der Klimathematik.
Im Jahrgang 9/10 hat die Elternkammer zu den Themen „Demokratie“, „Nationalsozialismus“ und
„Deutschland nach 1945″ folgende Anmerkungen:
Im Rahmen des Geschichtsunterrichts der Stufe 8/9 sind insgesamt sieben verschiedene Themenfelder vorgesehen, das ist aus Sicht der Elternkammer Hamburg zu ambitioniert.
Um den Kindern und Jugendlichen die Wichtigkeit von Demokratie und demokratischem Handeln näherzubringen, sollten sie sich intensiv mit dem Beginn des Nationalsozialismus, dem 2. Weltkrieg und dem Holocaust auseinandersetzen.
Dies nur als kleinen Teil in den beiden Jahrgängen zu betrachten, ist deutlich zu wenig.
Besonders mit Blick auf die Geschichte und das aktuelle Weltgeschehen kommt die Betrachtung des jüdischen Lebens in Hamburg zu kurz. Wo hat jüdisches Leben stattgefunden? Was sind Stolpersteine? Dies ist ein Thema, das auch fachübergreifend gut behandelt werden kann.
Nur wenn unsere Kinder und Jugendlichen sich intensiv mit der dunklen Zeit befassen, können wir sie für die Zukunft sensibilisieren.
Wir schlagen vor den „Themenbereich 5 Kinder und Jugendliche in deutschen Diktaturen“ in dieStufe 10, hinter „Teilung und Wiedervereinigung“ zu verschieben. Zwischen dem Römischen Reich und Leben im Mittelalter passt das Modul 5 thematisch nicht. Das umfassende Wissen aus den vorangegangenen Modulen wird den Schülern und Schülerinnen die Möglichkeit geben diesesThema besser zu greifen.
Für das Fach Politik-Gesellschaft-Wirtschaft hat die Elternkammer Hamburger folgende Anmerkungen.
In den didaktischen Grundsätzen fällt positiv auf, dass das vielfältige Informationsangebot in den Medien und ihre Bewertung behandelt werden.
Im Rahmen der Schwerpunkte ist der der Blick auch auf internationale Konflikte wie Arabischer Frühling, Israel und Palästina Konflikt, Angriffskrieg von Russland gegen die Ukraine wichtig, um den Schülerinnen und Schülern Möglichkeit zu geben aktuelle Konflikte zu hinterfragen und sich eine Meinung zu bilden. Die Elternkammer Hamburg hofft das hierfür in beiden Schulformen ausreichend Zeit und Raum gegeben wird.
In den Themenbereichen fällt positiv der inhaltlich gute Rundumblick im Bereich Digitalisierung und Medien auf. Konsumdenken und Handeln wird ebenso vermittelt, dies ist ein wichtiger Faktor aufdem Weg um aus den Schülerinnen und Schülern mündige Konsumenten werden zu lassen.
In der Vorstufe scheint es einen guten Überblick über viele Themen zu geben, jedoch ist dieses sehr umfangreich für ein Jahr.
Das Fach Recht ist aus unserer Sicht sehr umfassend und vermittelt Inhalte äußerst tiefgreifend.Hier stellt sich die Frage, ob diese Tiefe an allgemeinbildenden Schulen richtig ist. Es finden sich Inhalte auch im 1. Semester verschiedener Verwaltungsstudiengänge.
Folgende Themen finden wir sehr sinnvoll und positiv:
Im Modul „G2. Verbraucherrechte“ halten wir gerade eine Aufklärung über Schuldenfallen fürsinnvoll. Der Themenbereich Medienrecht sollte sowohl in diesem Fach, aber auch grundsätzlichnicht zu kurz kommen.
Der Lernbereich Naturwissenschaften und Technik wirkt im Rahmen der didaktischenGrundsätze positiv, besonders die Förderung der digitalen Kompetenzen und Anwendung verschiedenerer digitaler Werkzeuge.
Hervorzuheben ist der Fokus auf einen gendergerechten Unterricht. Die Formulierungen sind aus Sicht der Elternkammer Hamburg nicht gelungen. Der Vorschlag auf ggf. getrennten Unterricht in Klasse 5 / 6 ist nicht zielführende und widerspricht der in Informatik gefordertenSelbstverständlichkeit der Gleichberechtigung im MINT-Bereich.
Aus Sicht der Elternkammer Hamburg sollten die Mindestanforderungen der Jahrgänge 5/6 an Gymnasien den mittleren Anforderungen an Stadtteilschulen entsprechen, nicht den erhöhten.
In den Jahrgängen 7-10 wird ein Fokus auf einen bestimmten Mathe-Standard gelegt, was positiv ist, da dies den Schülerinnen und Schülern eine klare Richtlinie gibt, was sie in diesem Fach lernen sollten. Wir begrüßen den Hinweis das es wichtig ist, dass in allen Fächern des Lernbereiches der identische Mathe-Standard von Lehrkräften angewendet wird (nicht höher als MSA).
Die Kompetenzen für Bildung in der digitalen Welt ziehen sich durch den gesamten Bildungsplanund bilden eine gute Verflechtung von Naturwissenschaft und Digitalität.
Bei Bewertungen und Entscheidung sollten nicht nur naturwissenschaftliche Aspekte einbezogen werden, sondern auch Normen, Werte und Interessen gegeneinander abgewogen werden. Diesbietet die Möglichkeit sich mit eben diesen auseinanderzusetzen.
Im neuen Pflichtfach Informatik ist positiv hervorzuheben, die in der SEK 1 verpflichtende Teilnahme, mit dem Ziel – Mädchen und Jungen an das Fach gemeinsam heranzuführen und die Gleichberechtigung als Selbstverständlichkeit im MINT-Bereich zu etablieren und zu leben.
Die Fachlichen Kompetenzen zeigen aus unserer Sicht eine gute Abstufung der Inhalte für den ESA,
MSA und den Übergang in SEK 2.
Positiv hervorheben wollen wir die fachlichen Kompetenzen „I4 – Informatiksystemen“ die besonders wichtige Basisfähigkeiten vermitteln sowie „I5 – Informatik, Mensch & Gesellschaft“ die den Fokusauf Grundlegende Normen, Regeln und Kriterien, die eingehalten werden sollten, legt.
Die Elternkammer Hamburg stellt sich die Frage, warum für den Übergang in die Studienstufe an der Stadtteilschule (STS) Mindestanforderungen gelten, während die identischen Anforderungen am Gymnasium nur optional aufgeführt sind.
Informatik ist ein sich sehr schnell entwickelnder Bereich. Aus diesem Grund sehen wir es als zwingend notwendig an, dass mindestens dieser Bildungsplan regelmäßig aktualisiert wird.
Die Rahmenvorgaben für Berufliche Orientierung an Stadtteilschulen und Gymnasien unterscheiden sich maßgeblich. Während an den Stadtteilschulen genau festgelegt wird, was in welchem Jahrgang passieren soll, wird für die Gymnasien nur der grobe Rahmen gesteckt, was von Klasse 5-10 passieren soll. Dies bietet sicher sowohl Vor- wie auch Nachteile.
Die Elternkammer Hamburg bemängelt den geringen Praxisbezug an den Gymnasien und sieht dies als klaren Nachteil. Wir sind der Meinung, dass auch Gymnasiasten einen Einblick in die Berufswelt benötigen, insbesondere bevor sie sich für ein mehrjähriges Studium entscheiden.
Den Bildungsplan Berufliche Orientierung vermisst die Elternkammer Hamburg sehr deutlich für Gymnasien!
Für die Stadtteilschulen lassen sich die Anforderungen für den ESA, MSA und Übergang in die Vorstufe klar abgrenzen und erkennen. Positiv ist die Vermittlung wichtiger Fachbegriffe und Institutionen wie die verschiedenen Kammern, Beratungsmöglichkeiten sowie Begriffe rund um Arbeitsschutz, Girokonto, Kredit oder auch ELSTER. Dies ist sehr zu begrüßen.
Das Basismodul „Individuelle Orientierung, Ökonomie und Verbraucherbildung“ sollte daher zwingend
auch an den Gymnasien unterrichtet werden.
Für Deutsch als Zweitsprache ist bei den didaktischen Grundsätzen aus Sicht der Elternkammer Hamburg wichtig, dass Schülerinnen und Schüler befähigt werden „dem Unterricht einer ihrem Alter und erworbenen Kenntnisstand entsprechender Regelklassen zu folgen“.
Die vorgegebenen Kompetenzen und die Bezüge zu den 17 Nachhaltigkeitszielen im Fach Theater wird positiv von der Elternkammer Hamburg gesehen. Diese Kompetenzen sind nicht nur im Theaterkontext von Nutzen, sondern können in vielen anderen Lebensbereichen wieKommunikation, Beruf, sozialem Engagement und persönlicher Entwicklung von Vorteil sein.
Wir begrüßen die Digitalisierung auch im Fach Musik. Die Umsetzung muss systematisch aufgebaut werden. Musik ist nicht nur eine Kunstform, sondern trägt auch dazu bei, kognitive, soziale und emotionale Fähigkeiten zu entwickeln. Es kann die Kreativität fördern, das Gedächtnis verbessern, Stress abbauen und das Selbstbewusstsein stärken. Die Bedeutung des Fachs Musik in der Bildung liegt also nicht nur im Erlernen von musikalischen Fähigkeiten, sondern auch in der Entwicklung vielfältiger lebenspraktischer Kompetenzen.
Im Fach Pädagogik sollte nach Meinung der Elternkammer Hamburg mehr auf Digitalität gesetzt werden. Auch das gehört zu den Kompetenzen in diesem Fach nicht nur analog etwas zu erarbeiten. Pädagogik ist ein interdisziplinäres Fach, das Wissen aus Psychologie, Soziologie, Didaktik und anderen Bereichen integriert, um über pädagogische Praktiken zu informieren und zu verbessern.
Elternkammer Hamburg Hamburg, 15.11.2023